Es geht alles nicht so schnell wie gedacht bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Ob bei der Gesundheitskarte oder der digitalen Patientenakte: Modellversuche gibt es viele – offene Fragen etwa zum Datenschutz auch. Beim E-Rezept sind nun die Weichen bis zur bundesweiten Einführung gestellt.
Peter Welchering im Gespräch mit Uli Blumenthal
Ulrich Blumenthal: Das E-Rezept kommt, so wirbt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite. Und so wirbt auch die Versandapotheke Docmorris deutschlandweit auf Plakatwänden. Am Mittwoch hat die Gematik, die frühere „Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte“ ihre Pläne zum elektronischen Rezept vorgestellt. Und seit 1. November läuft in Baden-Württemberg in den Pilotregionen Stuttgart und Tuttlingen bereits ein Modellversuch mit dem digitalen Rezept. Wie sieht es mit der bundesweiten Umstellung aufs digitale Rezept aus?
Peter Welchering: Mit der können wir ab Sommer 2021 rechnen. Also es lässt noch ein wenig auf sich warten, das bundesweit verfügbare elektronische Rezept. Der Zeitplan der Gematik sieht so aus, dass es zum 30. Juni 2020 eine erste Regelung mit technischen Spezifikationen geben wird, in denen dann genau geregelt ist, wie ein digitales Rezept für Kassen- und Privatpatienten aussieht, wie es eingelöst wird und wie der Datenschutz geregelt sein wird. Ein Jahr später dann wird es diese Regelungen auch für das sogenannte „Grüne Rezept“ geben, also für Verordnungen, bei denen der Patient das Arzneimittel selbst bezahlen muss. Und es wird Regelungen für Rezepte mit Betäubungsmittelverordnungen geben. Das wäre dann Ende Juni 2021. Und da ab sollen dann unterschiedliche Betreiber, die Krankenkassen und die Apotheken das elektronische Rezept bundesweit umsetzen. Es dauert also noch durchaus etwas.
Viele Pilotprojekte, viele unterschiedliche Technologien
Blumenthal: Aber es gibt doch schon Pilotprojekte. Die arbeiten doch schon heute ganz erfolgreich mit dem E-Rezept. Weshalb müssen wir da noch auf die Gematik warten?
Welchering: Es gibt tatsächlich ziemlich viele Pilotprojekte, 52 nämlich bundesweit. Allerdings arbeiten die mit unterschiedlichen Technologien, haben unterschiedliche Abläufe. So haben etwa die AOKen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen jeweils eigenständige Projekte. Wir brauchen aber für das E-Rezept eine einheitliche Technologie, damit ein ausgestelltes Rezept bei allen Apotheken eingelöst werden kann. Und deshalb hat Gematik-Chef Markus Leyck Diecken den Modellbetreibern auch eine Denkpause empfohlen. Denn für diese einheitliche Technologie für das E-Rezept werden gerade Regelungen, Spezifizierungen entwickelt. Und da werden sich einige der 52 Modellprojekte von ihrer Technik verabschieden müssen, andere müssen sich anpassen. Bevor da also weiter investiert wird, empfiehlt der Gematik-Chef, doch erst einmal die Spezifizierungen abzuwarten.
QR-Code auf dem Smartphone oder auf Papier
Blumenthal: Zum 1. November ist in den Pilotprojekten Stuttgart und Tuttlingen ja ein solches Modellprojekt an den Start gegangen. Wie funktioniert das denn?
Welchering: Da erhält der Patient die Identifikationsnummer für das E-Rezept und einen Schlüssel, mit dem das E-Rezept entschlüsselt werden kann. Beides wird entweder an seine Gesundheits-App auf dem Smartphone geschickt oder als QR-Code ausgedruckt. Der Arzt schickt das Rezept dann verschlüsselt an den Rezeptdienst-Betreiber. Und der Patient kann mit der Identifikationsnummer das Rezept dann vom Betreiber-Server abholen und auf seinem Smartphone anschauen. Per Smartphone kann er dann auch eine Apotheke aussuchen, bei der er das Arzneimittel abholen möchte. Die Apotheke erhält vom Rezeptdienst-Betreiber die Zugriffsberechtigung aufs E-Rezept. So kann der Apotheker sehen, was da verordnet wurde, nachsehen, ob er das Arzneimittel vorrätig hat und das Rezept bei Lieferfähigkeit annehmen. Macht der Patient das nicht mit dem Smartphone, geht er einfach mit dem in der Arztpraxis ausgedruckten QR-Code in die Apotheke. Da wird der QR-Code eingescannt, das E-Rezept dann vom Rezeptdienstbetreiber an den Apotheker geschickt und er kann es bearbeiten. Also auch hier gibt es immer noch viel Papier.
Offene Fragen bei Sicherheit und Berechtigungen
Blumenthal: Wie sicher ist so ein E-Rezept? Kann sich da jemand reinhacken und erfahren, was der Arzt mir verordnet hat?
Welchering: Das hängt davon ab, welche Verschlüsselung auf welchen Geräten verwendet wird. Sicherheitsexperten sehen es als ziemlich kritisch an, dass der Patient den Schlüssel fürs E-Rezept auf sein Smartphone erhält. Smartphones haben enorm viele Sicherheitslücken. Da können Unbefugte leicht auf den Schlüssel fürs E-Rezept zugreifen und so an das Rezept kommen. Noch nicht geklärt ist auch die Frage, wie Verwandte ein E-Rezept für einen etwa bettlägerig erkrankten Patienten einlösen können. Da wird noch daran getüftelt, wie der Berechtigungscode für Verwandte aussehen kann. Beim Papierrezept war das einfach; das hat ein Verwandter oder Nachbar für den Patienten mitgenommen in die Apotheke. Beim QR-Code könnte das ähnlich gehandhabt werden, der wird ja genauso auf Papier gedruckt wie das bisherige Rezept. Aber da will die Gematik noch einen Berechtigungscode für Verwandte und ähnliche Personen einführen. Es sind also noch viele Fragen offen beim E-Rezept. Um die zu lösen, brauchen die Beteiligten die Zeit bis zum Sommer 2021 ganz sicherlich.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/digitales-gesundheitswesen-der-zeitplan-fuer-das-e-rezept.676.de.html?dram:article_id=463028