Manche Arznei bleibt Fehlanzeige

Medikamentenengpässe sorgen auch in Gera für Ärger und Mehraufwand bei Apothekern

Leider nicht lieferbar – Patienten hören das immer häufiger, wenn sie ihr Rezept in einer Apotheke vorlegen. „Mehr als 200 Medikamente sind von Lieferengpässen betroffen. Das betrifft auch viele Arzneimittel, die nicht oder schwer austauschbar sind und das ist unser großes Problem“, berichtet Apothekerin Jacqueline Sedlmeier, Inhaberin der Rossplatz-Apotheke in Gera.

Auch Sandra Diezel, Inhaberin der „Linden-Apotheke“ in Langenberg, hat die Übersicht über nicht verfügbare Arzneimittel stets im Blick. Sie recherchiert dann, um den Patienten beispielsweise eine andere Packungsgröße als die verschriebene oder in Absprache mit dem Arzt ein alternatives Medikament anbieten zu können. „Der Patient muss versorgt werden und darum kümmern wir uns. Aber all das kostet Zeit, Nerven und fordert Kreativität“, weiß die Fachfrau, die ständig in Kontakt mit ihren Großhändlern steht. „Wir kontaktieren auch die Herstellerfirmen, damit wir wissen, wann sie uns wieder beliefern können. Da warten wir natürlich nicht als Einzige“, hat Sandra Diezel erfahren.

Einer von zwei Anbietern für Narkosemedikament ausgefallen

Wie die Apotheker und niedergelassenen Ärzte müssen auch die Krankenhäuser auf Engpässe reagieren. Exemplarisch für Kliniken schildert Manuela Pertsch, Chefapothekerin im SRH Wald-Klinikum Gera, die Situation: „Einen Lieferengpass gibt es beispielsweise bei Propofol, Medikament für die Narkose. Da in Deutschland einer von zwei Anbietern ausgefallen ist, entstand ein absoluter Mangel, den die betroffenen Kliniken empfindlich spüren. Propofol ist heute im Klinikbetrieb nicht mehr zu ersetzen. Vermeintliche Alternativen verursachen erheblichen organisatorischen Aufwand und führen zu Änderungen der medizinischen Vorgehensweise der Krankenhäuser. Zudem sind die Alternativen weniger gut steuerbar. Eine Umstellung auf andere Präparate führt zum Beispiel zu verlängerten Aufwachzeiten der Patienten, oder es müssen neue Geräte für Alternativverfahren angeschafft werden. Unser Klinikum wird von einem der Anbieter aktuell mit einem Kontingent bedient.“

„Wir sind vielfach damit beschäftigt, den Mangel zu verwalten. Das behindert uns in der eigentlichen Aufgabe, den Patienten zu beraten, Bindeglied zwischen Arzt und Patient zu sein“, bringt es Apothekerin Sedlmeier auf den Punkt.

Rabattsystem für große Mengen bedarf einer Überarbeitung

Von einem enormen Arbeitsaufwand zur Schadensbegrenzung spricht auch Manuela Pertsch vom Klinikum: „Wir managen im Jahr über 500 Arzneimittel-Lieferengpässe mit Präparatewechsel, Abbildung in der Warenwirtschaft und Anwenderinformation. Wir versuchen alles, die Liefer-Engpässe durch erhöhte Lagerhaltung und die Suche nach Alternativen auszugleichen. In den allermeisten Fällen gelingt uns das. Das bedeutet aber, dass sich eine zusätzliche Fachkraft in der Apotheke allein mit dem Thema beschäftigt. Die muss nicht nur die Alternativen finden und bestellen, sondern natürlich auch die Ärzte und Mitarbeiter in der Pflege über die Veränderungen informieren.“ Gleichfalls bemängelt sie: „Weil jedoch die Industrie der gesetzlichen Vorgabe der Meldung nicht flächendeckend folgt, erfahren wir vom Engpass mitunter zu spät.“ Apothekerin Karin Frenzel-Beck, Inhaberin der Bergapotheke, hofft, dass die bisher freiwillige Bekanntgabe der Engpässe einem verpflichtenden Melderegister weicht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fordert ebenso Mehrfachvergaben von Rabattverträgen mit mehreren Wirkstoffherstellern. Jene Arzneimittel-Rabattverträge, die zwischen einzelnen Herstellern und gesetzlichen Krankenversicherungen geschlossen wurden, sieht auch Sandra Diezel problematisch, „wenn dies auch die Krankenkassen abstreiten. Aber oft kann ich gerade Rabattverträge nicht bedienen, wozu ich verpflichtet bin, sondern muss auf ein anderes Medikament ausweichen.“

Volkmar Vogel (CDU), Mitglied des Bundestages, sagt auf Anfrage der Redaktion: „Ich denke, dass insbesondere die Meldepflicht für ausreichende Lagerkapazitäten für Medikamente durchgesetzt werden muss und das Rabattsystem für große Mengen einer Überarbeitung bedarf. Ein Expertenrat mit Kenntnissen über Bedarf und Wirksamkeit von Medikamenten ist auch zielführend. Wichtig ist, dass die Maßnahmen zeitnah auf Erfolg zu prüfen sind und eventuell nachjustiert werden müssen.“

Vorerst werden die Apotheker wohl weiterhin über Lieferengpässe aufklären müssen. Viele Patienten sind schon damit vertraut. „Das macht die Situation nicht besser, aber die Leute wissen zumindest, dass wir ihnen die Medikamente nicht geben können, obwohl wir es wollen“, so Sandra Diezel. Und wie viele Kollegen hält Karin Frenzel-Beck ein Informationsblatt bereit.

Christiane Kneisel