Erwachsene müssen nicht alle zehn Jahre gegen Tetanus und Diphtherie geimpft werden. Neuen Daten zufolge erzielen komplette Impfschemata gegen diese beiden Infektionskrankheiten im Kindesalter einen Schutz, der lebenslang anhält.

Die »Tetanus-Spritze« alle zehn Jahre ist fester Bestandteil des Impfkalenders der Ständigen Impfkommission (STIKO). Er sieht nach vollständiger Immunisierung gegen Tetanus und Diphtherie eine kombinierte Auffrischimpfung gegen diese beiden Erkrankungen alle zehn Jahre vor. Mit dieser Empfehlung ist die STIKO international in guter Gesellschaft, denn ein Großteil der industrialisierten Staaten empfehlen für ihre Bevölkerungen Auffrischimpfungen alle 5 bis 20 Jahre, meistens alle zehn Jahre.
Nicht jedoch die Weltgesundheitsorganisation (WHO): Sie zog 2017 die generelle Empfehlung für regelmäßige Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie im Erwachsenenalter zurück. Eine komplette Immunisierung im Kindesalter vorausgesetzt, halte der Schutz vor den beiden Infektionskrankheiten ein Leben lang an, lautete die Begründung.
Die WHO stützte ihre damalige Entscheidung unter anderem auf eine Studie der Arbeitsgruppe Dr. Mark Slifka, Professor an der Oregon Health & Science University in Oregon, USA (»Clinical Infectious Diseases« 2016, DOI: 10.1093/cid/ciw066). Die Forscher hatten anhand der gemessenen Antikörpertiter von 546 Personen berechnet, dass die Tetanus- und Diphtherie-Impfung frühestens alle 30 Jahre aufgefrischt werden müsse.
Jetzt zeigt eine neue Untersuchung des Arbeitskreises Slifka, dass dies sogar noch eine konservative Annahme war und dass der Schutz stattdessen lebenslänglich anhält. Bei der ebenfalls in »Clinical Infectious Diseases« erschienenen Arbeit handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, für die die Autoren die Tetanus- und Diphtherie-Inzidenzen der Jahre 2001 bis 2016 aus 31 nordamerikanischen und europäischen Ländern heranzogen. Von diesen sahen neun (Dänemark, Großbritannien, Irland, Island, Kroatien, Malta, die Niederlande, Polen und Ungarn) weder gegen Tetanus noch gegen Diphtherie Auffrischungen im Erwachsenenalter vor, eines (Tschechien) ausschließlich gegen Diphtherie nicht.
Die Analyse ergab keinen signifikanten Rückgang der Tetanus-Inzidenz in Ländern mit Auffrischimpfungen im Erwachsenenalter. Bei der Diphtherie war die Inzidenz in diesen Ländern sogar höher als in Ländern ohne Auffrischimpfungen, was aber auf einen einzigen Ausreißer zurückzuführen war: Lettland, das eigentlich eine Auffrischung alle zehn Jahre vorsieht, meldete 10,06 Diphtherie-Fälle pro 1 Millionen Personenjahre – eine Inzidenzrate, die fast zehnmal so hoch war wie der Durchschnitt und vermutlich mit den generell sehr schlechten Durchimpfungsraten in dem baltischen Land erklärt werden kann. Ließen die Autoren Lettland außen vor, gab es auch bei der Diphtherie keinen signifikanten Unterschied zwischen auffrischenden und nicht auffrischenden Staaten.
Diese Untersuchung von mehr als 11 Milliarden Personenjahren gebe der WHO recht: Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie im Erwachsenenalter seien unnötig, fassen die Autoren zusammen. Nationale Gesundheitsbehörden, die ihre Empfehlungen entsprechend anpassten, könnten das gesparte Geld sinnvoller in die Verbesserung der Impfquoten bei anderen Impfungen investieren.
Quelle: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/erwachsene-brauchen-keine-auffrischimpfungen-115890/